Marlies, eine liebe Freundin unserer Familie, ist mit ihrem Mann Jens und ihren 5 jährigen Zwillingen, Susi und Leoni, vor kurzem umgezogen. Der Umzug erfolgte aus beruflichen Gründen. Marlies wusste, dass es für ihre Mädels kein so leichter Abschied sein wird. All die liebgewonnen Spielkameraden nicht mehr zu sehen. Aber sie war sich sicher, „es ohne Probleme hinzubekommen“. Schließlich war es nur ein Umzug, und so etwas findet tagtäglich in vielen Familien statt.
Zu Beginn nahm sie sich viel Zeit und erklärte ihren Mädels, welche Veränderungen in den nächsten Wochen auf sie zukommen werden. Sie erklärte ihnen, dass die Firma vom Papa in eine andere Stadt zieht. Sie machte sie neugierig und erzählte ein bisschen von dem zukünftigen neuen Zuhause. Meine Freundin erzählte mir später von dem Gespräch mit Susi und Leoni und war sich sicher, dass der Umzug problemlos stattfinden konnte. Einige Tage später rief mich meine Freundin an und fragte, was sie tun könne. Die Mädels wollten nur mit ihren Freundinnen in ihr neues Zuhause ziehen, „wenn sie nicht mit dürfen, bleiben wir auch hier“, sagten sie mit trotziger Mine, welches in lautem Weinen endete. Marlies war völlig aufgelöst, während sie mir von dem „Aufstand“, wie sie es nannte, erzählte. Ich verstand sehr gut, was in den Mädels vor sich ging. Ihr jetziges Zuhause, ihre Freundinnen, der Kindergarten, die anderen vertrauten Orte, an denen sie spielten, mit der Mama gemeinsam Eis essen waren oder der schöne Platz im angrenzenden Park, wo sie Radl fahren gelernt haben, all dies sollten sie verlassen. Ich konnte die Angst und die Verzweiflung der beiden körperlich wahrnehmen. Es machte mich auch traurig mit ansehen zu müssen, wie der bevorstehende Umzug alle Beteiligten in eine emotional schwierige Situation brachte. Ich konnte die Argumente und die daraus resultierende Entscheidung meiner Freundin und ihres Mannes wirklich gut verstehen. Es war eine vernünftige Entscheidung, war doch das zukünftige Einkommen der Familie damit gesichert.
Doch mal ganz ehrlich: konnte man von 5 jährigen Kindern erwarten, dass sie alle emotionalen Verlustängste verdrängten und „vernünftig“ werden? Konnte man erwarten, dass sie aufhörten zu jammern und zu weinen und sich darüber bewusst sind, dass Mama und Papa nur das Beste für sie alle wollen?
Ich führte längere Gespräche mit meiner Freundin. Und so gut ich ihre Haltung zu dem bevorstehenden Umzug nachvollziehen konnte, versuchte ich, ihr zu verstehen zu geben, dass sie doch mal mit den Augen ihrer Kinder die Situation betrachten solle. Denn hier gab es einige Dinge zu berücksichtigen: sie wusste, wie ihr neues Zuhause aussah. Sie hatte den kleinen, liebevoll eingerichteten Kindergarten, an den ein großer Garten mit vielen Spielgeräten und großem Sandkasten angeschlossen war, selbst schon besichtigt. Als sie ihre 2 Mädels dort angemeldet hat, hat sie selbst mit der Kindergartenleiterin dort gesprochen. Sie besuchte, bei einem ihrer Termine, den großen Park mit einem schön angelegten Ententeich und Waldspielplatz. Für sie war dies alles nicht mehr neu. Sie hatte sich selbst sehr viel Zeit genommen, ihre neue Heimat und deren Umgebung mit all ihren Sinnen wahrzunehmen. Ja – sie hatte auch an ihre Kinder gedacht, die sich dort auch wohlfühlen sollten, indem sie den Kindergarten aufsuchte und nach Spielplätzen Ausschau hielt. Doch hatten ihre Kinder bisher die Möglichkeit, auf die gleiche Entdeckungsreise zu gehen wie sie? Konnten die Mädels sich an dem schönen Ententeich erfreuen? Hatten sie mit ihrem Radl den Park, mit dem schönen Ententeich und dem Spielplatz, erkunden können?
Es war kein leichtes Gespräch – und ich musste mit meiner Argumentation sehr vorsichtig sein, damit Marlies sich nicht verletzt fühlte. Ich schlug ihr dann vor, dass wir mit den Mädels, gemeinsam, ein Wochenende in der geplanten neuen Heimat verbringen. Die Mädels sollten ihre Radl mitnehmen, und dann würden wir alle gemeinsam einen Radlausflug im anliegenden Park machen. Sie sprach mit Jens und beide beschlossen, den Vorschlag umzusetzen.
Das Wochenende war sehr schön. Die Mädels hatten ihren Spaß und große Freude, als sie den Ententeich entdeckten. Der erste Schritt war getan. Marlies entspannte sich etwas. Sie gestand mir, dass es ihr am Anfang sehr schwer gefallen ist, mein Argument und meine Sichtweise anzunehmen, die Situation mit den Augen der Kinder zu sehen. Sie hatte zwischenzeitlich beobachten können, dass es für Leoni und Susi wichtig war, neue Bezugspunkte zu finden und die Umgebung und Menschen wahrnehmen und sich damit auseinander setzen zu dürfen, und zwar jedes der Mädels auf ihre eigene Art.
Sie unternahmen gemeinsam, auch an den nächsten Wochenenden und in der Ferienzeit, mehrere Ausflüge an ihrem zukünftigen Wohnort. Sie besuchten den Kindergarten gemeinsam und die Kindergartenleiterin nahm sich viel Zeit zum Kennenlernen der Mädels. Sie fanden im Park neue Freundinnen, die sich jetzt freuten, wenn sie endlich hier wohnen und dann öfter mit ihnen spielen können
Der Umzug ist jetzt ein paar Wochen her und die Mädels kommen immer wieder mal am Wochenende ihre Freundinnen besuchen oder die Freundinnen kommen zu ihnen. Durch die vielen Besuche in ihrer neuen Heimat, bevor der Umzug stattfand, haben sie ihre neue Heimat nicht mehr als fremd und bedrohlich empfunden und sie hatten nicht mehr das Gefühl alles zu verlieren.
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